Interview mit dem deutschen Astronauten Ulrich Walter Teil 4: Über die Besiedelung des Mars und die Zukunft der Raumfahrt
Drillingsraum: Nach der ersten bemannten Marslandung müssten die Astronauten mindestens ein Jahr auf dem Roten Planeten verbringen, weil erst dann die Erde wieder in erreichbarer Nähe ist, um zurückfliegen zu können. Was wären ihre Aufgaben in dieser Zeit? |
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das ein Beweis dafür, dass Leben nicht nur auf der Erde entstanden ist, sondern auch woanders. Und wenn das der Fall ist, dann kann es auch weit draußen auf anderen Planeten entstanden sein. Also das ist eigentlich die zentrale Frage überhaupt. Und jetzt kommt eben das Wichtige: Wirklich gute biologische Untersuchungen können Sie eigentlich nur mit Menschen machen, Sie können so etwas noch nicht automatisieren. Und deswegen wird es eine zentrale Aufgabe der Astronauten dort draußen sein, sozusagen mit einem Schäufelchen und einem Mikroskop durch die Gegend zu laufen, um es mal ganz einfach auszudrücken, und nach neuen Lebensformen zu suchen. Drillingsraum: Der Begriff Terraforming drückt das Bestreben aus, den Mars in einen bewohnbaren Planeten umzuwandeln, inklusive selbständiger Bildung von Wasser und Sauerstoff. Inwieweit ist eine solche Vision umsetzbar? Ulrich Walter: Also Terraforming allgemein bedeutet erstmal, einen beliebigen Planeten zur Erde umzubauen. Wenn man später mal zu anderen Sternsystemen auswandern sollte, und es dort auch erdähnliche Planeten gibt, also erdähnlich heißt sie stehen in der selben Entfernung zu ihrer Sonne, also in der sogenannten habitablen Zone, ist das Ziel tatsächlich, dass man solche Planeten dann wirklich auch zu einem Planeten mit Sauerstoff |
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bisschen weiter ausarbeiten. Das Ganze funktioniert so: Man bringt erstmal hocheffiziente Treibhausgase dort hoch. Also effizient heißt: In geringen Mengen machen die schon viel Wärme. Mars hat nur eine durchschnittliche Temperatur von -50 Grad oder sowas, und damit würde man schonmal die Temperaturen auf sagen wir ungefähr, was weiß ich, -20 Grad oder so hochbringen. Dann würden die Polkappen schmelzen, in denen sehr viel CO2 ist. Das heißt, es würde gasförmig werden. Und CO2 ist selbst wieder ein starkes Treibhausgas, das würde die Temperaturen sofort noch weiter hochtreiben. Und bei einer Wärme über Null Grad würde auch das Wasser in den großen Tiefen wieder flüssig werden, wir hätten wahrscheinlich wieder große Seen und Ozeane. Ja und dann hätten wir, wenn wir noch ein bisschen Pflanzen dort hoch bringen, die dann das CO2 aus der Atmosphäre in Sauerstoff umwandeln, eigentlich irdische Bedingungen. Das ist im Prinzip machbar. Aber wie das dann im Detail geht, ist glaube ich noch nicht so ganz ausgearbeitet. Drillingsraum: Wie ist da die Zeitspanne, 100 Jahre, 1000 Jahre? Ulrich Walter: Also, dieses CO2, also diese Treibhausgase hochzubringen und das CO2 freizusetzen, das geht relativ schnell. Das haben Sie schon in 10 bis 20 Jahren. Aber das Problem ist dann, die CO2-Atmosphäre durch Pflanzen in eine Sauerstoffatmosphäre umzuwandeln. Das dauert einige hundert Jahre. Drillingsraum: Viele Wissenschaftler sind sich sicher, dass es auf dem Mars einmal größere Mengen flüssigen Wassers gegeben haben muss. Wie hoch sind die Chancen, dass während dieser Zeit Mikroorganismen oder andere primitive Lebensformen entstanden sind? Ulrich Walter: Das ist eine gute Frage. Da sind sich die Wissenschaftler uneins. Meine persönliche Meinung ist: Die Entstehung primitiver Lebensformen kann relativ einfach und schnell verlaufen. Auf der Erde hat es nur ein paar hundert Millionen Jahre dazu gebraucht, das ist sehr sehr schnell gewesen. Wir wissen, dass der Mars eine lange Zeit, etwa eine Milliarde Jahre lang, viel Wasser gehabt hat und auch recht warm war. Deswegen glaube ich, dass sich dort Leben entwickelt hat. Aber: Ich glaube nicht, dass es ein anderes ist als auf der Erde. Denn: Damals gab es viele Asteroideneinschläge, sowohl auf der Erde, als auch auf dem Mars. Man kann nun zeigen, dass, wenn es so einen Einschlag gibt, die Brocken, die dabei rausgeschleudert werden, durchaus auf einem |
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Drillingsraum: In dem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams reisen die Protagonisten mit dem sogenannten Unendlichen Unwahrscheinlichkeitsantrieb, der allerlei kuriose Effekte auf seine Umgebung hat. Wenn wir eines Tages unser Sonnensystem verlassen wollen, benötigen wir auch eine völlig neue Generation von Antriebssystemen. Welche zukünftigen Technologien kommen dafür am ehesten in Frage? Ulrich Walter: Praktisch nur eine, und die kennen wir schon, die ist recht gut: das ist der Fusionsantrieb. Das heißt also wir nehmen Wasserstoff und fusionieren den. Das ist allerdings ein Kernkraftantrieb, und deswegen ist der nach den bisherigen internationalen Vereinbarungen eigentlich nicht erlaubt. Aber wir wissen sehr gut, dass es geht. Wir sind kurz davor, Fusionskraftwerke zu bauen, und wenn wir diese Kraft dann nur gebrauchen um Antriebe zu machen, sind wir fein raus. Das wäre der perfekte Antrieb. Drillingsraum: Stichwort relativistische Raumfahrt: In einem mit knapp Lichtgeschwindigkeit reisenden Raumschiff würde die Zeit für die Insassen langsamer vergehen als für einen ruhenden Beobachter, wodurch Reisen zu fernen Galaxien innerhalb eines Menschenlebens möglich wären. Aber ist es aufgrund der menschlichen Grenzen bezüglich Beschleunigung zeitlich überhaupt möglich, solch hohe Geschwindigkeiten zu erreichen? |
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dass man, wenn man auf diese Art und Weise ein Raumschiff baut, unsere Milchstraße innerhalb von 12 Jahren durchqueren könnte. Also 12 Jahre erlebte Zeit eines Astronauten. Und das ist nicht viel, die Milchstraße hat immerhin einen Durchmesser von 100.000 Lichtjahren. Aber, und das habe ich auch gezeigt: Selbst wenn man mit einem Materie-Antimaterie Antrieb flöge, und das ist ja wirklich schon ziemlich weit Science Fiction, aber physikalisch im Prinzip machbar, also wenn man das machen würde, dann bräuchte man, was hab ich ausgerechnet, 6 Sonnenmassen, Antimaterie wohlbemerkt, um so ein Ding wirklich diese 12 Jahre so zu beschleunigen. Mal abgesehen davon wo man das Zeug dann so herkriegt. Drillingsraum: Auf zukünftigen langen Raumflügen wird man aus gesundheitlichen Gründen der Astronauten wohl kaum darum herum kommen, Schwerkraft an Bord des Raumschiffes zu erzeugen. Welche Möglichkeiten stehen da zur Verfügung? Ulrich Walter: Es gibt praktisch nur eine: Eine künstliche zu erzeugen. Im Gegensatz zu Science Fiction muss ich dazu sagen. Und das ist eben die Zentrifugalkraft. Das heißt, man nimmt ein System und rotiert es einfach, und lebt sozusagen an den Rändern. Also die Wernher von Braun Raumstation, das war so ein sich drehender Kreisel, nicht wahr, jeder kennt den eigentlich. Und dann lebt man sozusagen draußen an der Wand, so wie bei Odyssee 2001, dieses drehende Rad. Aber es gibt noch einen einfacheren Weg: Ich brauche eigentlich nur zwei Wohnbereiche zu nehmen, zwei Habitate. Die können rechteckig sein, egal wie, die verbinden Sie einfach nur mit einem Draht, und lassen die dann rotieren. Dann können Sie dort auch Leben, Sie brauchen nicht ein ganzes Rad. Sowas aufzubauen ist tatsächlich viel einfacher. Überhaupt: Der Bau solcher sich drehender Räder ist daran gescheitert, weil die einfach viel zu groß sind, viel zu riesig. Und deswegen hat man sich das nicht leisten können. Wenn man zum Mars fliegt, wird man sicherlich diese Drahtlösung verwenden. Drillingsraum: Wo sehen Sie die Raumfahrt in 50 Jahren? |
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nächste Mal erst wieder auf dem Mond sein, so in etwa 10 Jahren. Wir werden also von 1969 bis 2018 gebraucht haben, um wieder zum Mond zu kommen. Ja, und dann sind wir eigentlich wieder erst da, wo wir 1969 waren. Aber wir wollen ja zum Mars, das ist ja das langfristige Ziel. Und ich werde viel gefragt: Warum gehen wir dann zum Mond? Nun, der Mond ist nichts anderes, als eine Testeinrichtung, um zu testen: Können wir all das was wir brauchen, um zum Mars zu fliegen, dort zu arbeiten und zu wohnen. Und beim Mars ist es eben so, dass Sie nicht sagen können: So, heute fliege ich nach Hause, weil ich keine Lust mehr hab, oder weil ich Zahnschmerzen hab oder so etwas. Das geht nicht. Sie sind dort, und sie kommen nicht zurück. Die ganze Mission dauert etwa zweieinhalb Jahre. Eine Mission zum Mond dauert nur 3 Tage hin, 3 Tage zurück, da können Sie schnell sagen ich hab jetzt keine Lust mehr, ich hau ab, ja. Und deswegen ist der Mond so ideal. Wenn was passiert kann man sofort wieder zurück. Aber das können Sie beim Mars nicht. Und deswegen müssen wir wieder zum Mond, und das tun die Amerikaner auch. Sie werden eine Mondstation bauen um zu zeigen, dass sie all diese Technologien beherrschen. Und im Jahre 2033 geht’s dann zum Mars. |
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