theodor_haensch
Theodor W. Hänsch
 

Interview mit Physik-Nobelpreisträger Prof. Dr. Theodor W. Hänsch

Teil 5: Quantenteleportation und Quantenkryptographie

Drillingsraum: Der österreichische Physiker Anton Zeilinger wurde durch seine Experimente zur Quantenteleportation einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Was wird bei der Quantenteleportation letztendlich teleportiert?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Der Grund für die Bekanntheit ist natürlich der nahe Bezug zur Science-Fiction, dass man möglicherweise einen Menschen teleportieren könnte. Was praktisch teleportiert wird ist unser Wissen über den Ausgang von Experimenten: Ich habe ein System präpariert und kann vorhersagen was passiert, wenn ich hier dies oder jenes messe. Und über die Teleportation kann ich dafür sorgen, dass sich ein System anderswo bei Messungen gleich verhält.

Drillingsraum: Obwohl bei der Quantenteleportation die Zustände instantan festgelegt werden, kann mit dieser Technik keine Information schneller als das Licht übertragen werden. Könnten Sie diesen Umstand kurz erläutern?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Ich kann ja auch bei einem nahen Objekt nicht mit Sicherheit vorhersagen was passieren wird, ich kann nur statistische Vorhersagen machen. Wenn ich dann etwas teleportiert habe, kann ich auch bei dem fernen Objekt nur statistische Vorhersagen zu machen.

Wenn es aber möglich wäre, damit Informationen zu übertragen, würde das natürlich das Prinzip der Kausalität verletzen. Und wir glauben, dass das nicht so leicht ist.
theodor_haensch

Drillingsraum: Diese spontane Zustandsbestimmung auch über große Distanzen hinweg scheint im Widerspruch mit unseren physikalischen Erfahrungen zu stehen...

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Nein, vorsicht: Wenn ich weiß, dass der Zustand nicht in dem System ist, sondern nur in meinem Kopf, kann sich das sofort ändern. Instantan.

Drillingsraum: Also kann man praktisch gar nicht die Frage stellen: Woher weiß das eine Teilchen denn, wann das andere gemessen wird?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Das Teilchen weiß davon überhaupt nichts. Nur ich weiß es.

Drillingsraum: Glauben Sie, dass wir mit einer anderen Technik eines Tages auch feste Materie und Lebewesen teleportieren könnten?

 
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Prof. Dr. Theodor Hänsch: Die Quanteninformation spielt ja bei wenigen Gegenständen eine Rolle. Wenn man nun einfach die Zusammensetzung der Moleküle am anderen Ort rekonstruieren würde, hätte man für alle praktischen Zwecke schon teleportiert. Ich müsste dann halt eine Zelle mit, was weiß ich, mit Röntgenstrahlen Atom für Atom entziffern und versuchen, am anderen Ende alles wieder zusammenzubauen (lacht). Das wäre einfach klassische Information. Inzwischen gibt es immer bessere Verfahren dazu, die Erbinformation in der DNA auszulesen. Und wenn man diese Information erst einmal hat, schafft man es auch, die Moleküle aus den Buchstabenpaaren wieder richtig zusammenzubasteln. Am Craig-Venter-Institute in San Diego ist man
theodor_haensch
glaub' ich inzwischen bei 50.000 Basenpaaren. Und wenn man solche Baupläne verschicken und anderswo wieder zusammenbauen kann, wäre das eine Art von Teleportation.

Drillingsraum: Was passiert bei der Quantenkryptografie? Kann man den Übertragungsprozess in kurze Worte fassen?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Daten nach den Regeln der Quantenmechanik abhörsicher zu übertragen. Der einfachste Fall wäre die Codierung in Polarisationszuständen, dass ich also Licht entweder horizontal oder vertikal polarisiert herausschicke, oder auch unter 45 Grad. Und ein Abhörer, der nicht weiß, wie ich meinen Polarisationsfilter eingestellt habe, der würde bei seinem Abhörversuch solche Fehler erzeugen, dass der Empfänger das merken würde. Man glaubt, dass aufgrund der Regeln der Quantenmechanik solche unentdeckbaren Abhörversuche im Prinzip unmöglich sind. Aber man kann natürlich auch irgendwie eine Mikrokamera im Raum verstecken, indem der Sender sitzt. Oder man kann die Sekretärin verführen oder sonst wie (lacht), und auf diese Weise dann doch an die Nachricht kommen.

Drillingsraum: In letzter Zeit häuften sich in den Medien Berichte über Abhörskandale. Ist die Quantenkryptografie der Schrecken von Telekom und Co.? Inwieweit wird diese neue Verschlüsselungstechnik in unseren Alltag einziehen?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Es gibt auch heute Algorithmen, mit denen man sehr gut verschlüsseln kann. So gut, dass es im Prinzip kaum möglich ist, das zu knacken. Viele dieser Algorithmen beruhen auf dem Umstand, dass man die Primfaktoren großer Zahlen nicht leicht berechnen kann. Und wenn es gelänge, einen Quantencomputer zu schaffen, der das kann, dann könnte man viele heute klassisch verschlüsselte Nachrichten entziffern. Und nicht nur zukünftige, sondern auch vergangene. Und die Geheimdienste haben

natürlich ein großes Interesse daran, also an Nachrichten, von denen sie gerne wüssten, was da drin steht. Deswegen gibt man auch viel Geld für sowas aus. Einfach vielleicht auch nur deswegen, um sicher zu sein, dass es nicht funktioniert, damit die Feinde das auch nicht machen können.
theodor_haensch

Drillingsraum: Ist die Quantenkryptografie tatsächlich absolut Abhörsicher? Es gibt Behauptungen, nach denen ein Abhörer unter ganz Bestimmten Umständen doch unbemerkt bleiben könnte...

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Nun ja, auch da gibt es wahrscheinlich Grauzonen. Wenn ich so abhöre, dass ich die Nachricht nicht mit Sicherheit entziffern kann, aber raten kann, dann kann man wahrscheinlich auch nicht mit Sicherheit sagen, ob da ein Abhörer drin ist. Aber dann gäbe es andere Protokolle, mit denen man die Sicherheit verbessern könnte. Insbesondere unter Ausnutzung von Verschränkung. Und wir haben ja den Harald Weinfurter hier, der das sehr wissenschaftlich betreibt. Der kann zu solchen Fragen sehr viel kompetenter Auskunft geben als ich. Aber es ist sicher so, dass es auf dem Gebiet der Quantenkryptographie nicht ganz einfache Ja-Nein-Antworten gibt.

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