Physik-Nobelpreisträger Theodor W. Hänsch im Interview mit drillingsraum.de
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Prof. Dr. Theodor Hänsch in seinem Büro, 22. Juli 2008
Fotos: Michael Hauck
 

"Das Problem ist, dass die Welt letzten Endes doch komplex ist"

Prof. Dr. Theodor Wolfgang Hänsch ist Physiker an der LMU in München und Direktor am Max Planck Institut für Quantenoptik in Garching. Im Jahr 2005 erhielt er den Physik-Nobelpreis für die Entwicklung eines hochpräzisen Messinstruments.

Im Interview spricht er über die komplexe Welt der Quantenphysik, erklärt den Quantencomputer und die Quantenteleportation und beschreibt, wie Sekretärinnen die besten physikalischen Verschlüsselungstechniken zunichte machen können.

Ein Drillingsraum-Interview, 22. Juli 2008
Von Marc Gänsler

Drillingsraum: Im Jahr 2005 wurden Sie zusammen mit 2 amerikanischen Kollegen mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Wie sahen für Sie die Tage und Wochen nach der Vergabe aus?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Hektisch, besonders die Stunden nach der Bekanntgabe: Um 12 Uhr kam der Telefonanruf aus Stockholm, und um 14 Uhr musste ich zum Flughafen, ich hatte eine Reise nach San Francisco gebucht. Und in diesen zwei Stunden bin ich nicht zur Besinnung gekommen. Innerhalb von 5 Minuten waren die ersten Reporter mit Blitzlichtern hier drin, sehr schnell kamen Fernsehteams, dann der Präsident der Max Planck Gesellschaft Peter Gruß, zudem noch unser Universitätspräsident. Man muss also schnell Pressekonferenzen improvisieren. Und die ganze Zeit hat es mir unter den Nägeln gebrannt, weil ich ja die Koffer noch gar nicht zu Ende gepackt hatte. Erst als ich am Flughafen eingecheckt habe, konnte ich die Fernsehteams hinter mir lassen. Als ich dann im Flugzeug Platz genommen habe, bin ich erstmal zur Besinnung gekommen. Ich war dann ungefähr zwei Wochen in den USA, und dort war es dann relativ okay. In Berkeley auf der Konferenz waren glaub' ich 19 Nobelpreisträger anwesend, da hat einer mehr oder weniger nicht so viel Unterschied gemacht. Aber als

ich wieder zurück kam war hier die gestaute Presse, und das war sehr anstrengend. Im Dezember ist ja dann die Preisverleihung in Stockholm. Und ich war praktisch schon urlaubsreif, noch bevor es losging. Alle hatten auch geraten, dass man sich vorher gut ausruhen soll, weil das dort dann eben sehr anstrengend wird.

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Drillingsraum: Den Nobelpreis erhielten Sie für die Entwicklung des Frequenzkammes. Könnten Sie in kurzen Worten beschreiben, was das ist und welche Anwendungen damit ermöglicht werden?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Ja, der Frequenzkamm ist ein Messinstrument, mit dem man verschiedene Messgrößen ganz ungeheuer genau messen kann. Zunächst einmal wären das Frequenzen von Laserlicht. Zudem kann man Zeiten messen, indem man den Frequenzkamm als Uhrwerk für optische Atomuhren benutzt. Man kann damit auch Längen messen. Inzwischen kennt man sehr viele Anwendungsmöglichkeiten, die weit von den ursprünglichen Zielen entfernt liegen.

Drillingsraum: In Ihrem Buch „100 Produkte der Zukunft: Wegweisende Ideen, die unser Leben verändern werden“ liefern Sie einen Überblick über innovative Dinge, die in deutschen Labors entwickelt wurden. Wieviele dieser Erfindungen stehen bei Ihnen zu Hause im Regal?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: (lacht) Die meisten gibt’s ja noch gar nicht, das sind mehr oder weniger Visionen, die die Phantasie anregen sollen. Und wenn man skeptisch ist und sagt: „Ah, das glaub ich nicht“, dann kann man sich ja selber was Besseres einfallen lassen.

Drillingsraum: Wie sieht Ihr derzeitiges Forschungsgebiet aus, an was arbeiten Sie gerade?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Einmal verfolgen wir immernoch die Laserspektroskopie, insbesondere die Präzisionsspektroskopie. Diese führen wir an ganz einfachen atomaren Systemen durch, bei denen man eine Chance hat, grundlegende neue Einsichten zu gewinnen. Und das andere Gebiet, das wir auch schon sehr lange verfolgen, ist die Quantenphysik ultrakalter Atome. Wir haben im Augenblick Experimente mit ultrakalten Fermionen am Laufen, wo man mit Hilfe von Feshbach-Resonanzen zwei verschiedene atomare Fermionen zu Molekülen zusammenfügt. Aus diesen Molekülen kann man möglicherweise Bose-Einstein-Kondensate

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machen, die ganz neue und unbekannte Eigenschaften haben können. Weiterhin arbeiten wir mit Atomchips, also mikrofabrizierten Chips mit denen man ultrakalte Atome manipulieren kann. Sozusagen ein Quantenlabor auf einem Chip. Das sind so kurz umrissen die wesentlichen Forschungsgebiete.

Drillingsraum: Aufgrund der Auszeichnung mit dem Nobelpreis hat man für Sie eine Ausnahmeregelung gefunden, die es Ihnen ermöglicht, auch über das Pensionsalter hinaus aktiv in der Forschung weiter zu arbeiten. Werden Sie in dieser Hinsicht eine Ausnahme bleiben oder bekommen Spitzenforscher demnächst ihre eigenen Gesetze?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Es hat schon ein bisschen was bewegt. Die Max-Planck-Gesellschaft hat das Pensionierungsalter für alle Max-Planck-Direktoren von 65 auf 68 hochgesetzt. In der Bundesregierung hat sich die Frau Schavan dafür stark gemacht, ein eigenes Wissenschaftstarifrecht einzuführen, wodurch solche Altersgrenzen dann auch flexibler gehandhabt werden können. Doch dies hat wohl politische Probleme, es hat sich noch nicht durchsetzen lassen. Aber offenbar arbeiten verschiedene Politiker daran.

Drillingsraum: Deutschland gilt nicht gerade als das Eldorado für Wissenschaftler. Sie haben eine Zeit lang im Ausland gearbeitet, waren einige Jahre an der Stanford-University in Kalifornien. Was machen die Amerikaner besser als wir?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Manches machen sie besser, anderes schlechter. Es ist halt ein anderes Umfeld. Deutschland war ja die Spitzennation in der Wissenschaft vor dem Dritten Reich. Wir haben dann den Fehler begangen, viele unserer Spitzenleute rauszujagen. Und viele sind in den USA dann sehr erfolgreich gewesen. Nach dem Krieg waren dann die USA das Land der Wissenschaft. Deshalb ist Englisch auch die Wissenschaftssprache. Amerikaner sind nicht wild darauf, Wissenschaften zu studieren. Wenn man sich mal an den Spitzenuniversitäten in den USA umschaut, sind diese amerikanischen Doktoranden und Postdocs nur in der Minderzahl. Das sind oft Chinesen, Leute aus Asien, auch Europäer, Deutsche. Und es gibt halt ein Reizklima, es gibt einen viel stärkeren Wettbewerb als bei uns, so dass man natürlich auch gezwungen ist, sich viel intensiver mit neuer Wissenschaft zu beschäftigen. Man muss dauernd publizieren, sonst ist man schnell weg vom Fenster. Und bei uns ist es so, dass man die Wissenschaft eher wie Landwirtschaft betreiben kann, man kommt leichter an große Ressourcen, kann Institute gründen und hoffen, dass da schon irgendwas passiert. Dieser unmittelbare Druck ist bei uns schwächer ausgeprägt als in Amerika.

Drillingsraum: Was war bei Ihnen der ausschlaggebende Punkt, Physiker zu werden?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Warum bin ich Physiker geworden... Also Naturwissenschaften haben mich immer interessiert. Ich hätte mir auch vorstellen können, Astronom,

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Biologe oder Chemiker zu werden. Mein Vater hätte gern gehabt, dass ich Arzt geworden wäre. Mein schlechtes Gedächtnis hat dann den Ausschlag gegeben: Ich habe einfach gemerkt, dass ich mir die Namen der Knochen in der Anatomie nur mühsam merken kann. Und in der Physik kann man halt mit Mathematik und logischem Denken vieles Ableiten, man muss gar nicht so viel wissen. Es gab halt noch kein Google, und kein Wikipedia.

Drillingsraum: Haben Sie Hobbys, denen Sie fernab der Physik nachgehen?

Die Physik hat ja sehr viele Facetten. Ich sage jeden Tag 3 oder 5 Einladungen ab. Eine die ich noch nicht abgesagt habe, ist zum Beispiel die von der Literary and Historical Society aus Dublin, die mir einen James Joyce Award verleihen wollen, wenn ich dahin komme und einen Vortrag halte. Ich habe dann geschaut, wer denn sonst den James Joyce Award bekommen hat. Beispielsweise die Frau Rowling, also die Autorin von Harry Potter. Man kommt auf diese Art und Weise mit allerlei Menschen zusammen, und sieht eine Welt, die weit außerhalb der Physik liegt. Gut, also Reisen in Maßen macht mir Spaß. Über den Tellerrand zu schauen und zu sehen, wie andere Leute die Welt sehen, ist sicher faszinierend. Ich fotografiere ganz gern, mache auch Videos, höre Musik, gehe gerne spazieren. Aber kein Leistungssport oder sowas.

Drillingsraum: Um folgende Frage ranken sich Mythen und Legenden, vielleicht können Sie aufklären: Warum gibt es keinen Mathematik-Nobelpreis?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Da bin ich auch nicht völlig informiert. Ich glaube, irgendein Mathematiker hat den Herrn Nobel da mal geärgert, weil die Partnerin da wohl... (muss lachen) Nun, das mag wahr sein, aber ich weiß da auch nicht wirklich Bescheid.

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