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Theodor W. Hänsch
 

Interview mit Physik-Nobelpreisträger Prof. Dr. Theodor W. Hänsch

Teil 3: Über Quantencomputer, Qubits, das iQuant und die Frage,
warum Apple-Boss Steve Jobs in seinen Vorlesungen war

Drillingsraum: In normalen Computern werden Informationen in Bits dargestellt. Quantencomputer sollen mit Qubits (Quantum Bits) arbeiten. Worin besteht der Unterschied, und was sind die Vorteile von Qubits?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Es ist eine kontinuierliche Variable. Das ist eigentlich etwas, was man klassisch auch machen könnte: In Analog-Computern beispielsweise kann ich natürlich statt mit diskreten Bits auch mit Spannungen oder Strömen arbeiten, die ein ganzes Kontinuum von Werten haben können. Auch optisch wäre das möglich. Das ist zunächst einmal noch kein riesengroßer Vorteil, im Gegenteil. Analog-Computer sind aus der Mode gekommen, einfach weil sie extrem störanfällig sind, und diese dissipativen, digitalen Computer eben sehr zuverlässig arbeiten können. Ein Quantencomputer wäre sogar in der Laufrichtung umkehrbar. Ein anderes Argument, das die Leute für die Quantencomputer vorbringen ist, dass man eben mit Überlagerungen von Eingangszuständen arbeiten kann. Ich muss mich nicht entscheiden, welchen Eingang ich nehmen will,

sondern ich kann eine Überlagerung erzeugen, und der Quantencomputer rechnet dann massiv parallel mit allen denkbaren Eingangszuständen. Das Problem ist dann aber, dass ich dann auch eine Überlagerung aller möglichen Antworten bekomme. Wenn ich auslese, kann ich natürlich nur eine dieser Antworten erhalten. Ich weiß dann aber
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nicht, zu welchem Eingangszustand diese Antwort gehört. Im Prinzip könnte man den Quantencomputer sehr viele Male laufen lassen und die Ergebnisse auf unterschiedliche Weise abfragen, um mit einer Art Tomographie den Quantenzustand am Ausgang zu bestimmen. Doch steigt die Zahl der dazu notwendigen Rechendurchläufe exponentiell mit der Zahl der Qubits. Ich könnte natürlich auch einen klassischen Computer in mein Nebenzimmer stellen, und einen Affen davor setzen, der dann auf der Tastatur herumdrückt. Da ich aber nicht weiß was er drückt, ist es eine - allerdings inkohärente - Überlagerung aller möglichen Tastenzustände. Hier an meinem Computer kommt dann das Ergebnis. Weil ich aber nicht weiß, was er gedrückt hat, ist das Ergebnis im Allgemeinen nicht viel Wert. Aber es gibt spezielle Probleme, wo es doch helfen kann. Peter Shor hat eben gezeigt, dass man unter Ausnutzung dieser Parallelität Quanten-Fourier-Transformationen durchführen kann. Diese kann man ausnutzen, um Primfaktoren großer Zahlen zu bestimmen, prinzipiell zumindest. Und die größte Zahl, die damit bisher faktorisiert worden ist, ist glaube ich die 15 (lacht). Und ob man jemals einen

Quantencomputer haben wird, der wirklich große Zahlen faktorisieren kann, das bezweifle ich eher.

Drillingsraum: Wie kann man sich einen Quantencomputer technisch gesehen vorstellen? Benötigt man spezielle Bauteile wie Laser, Spiegel etc., oder ist das alles nur herkömmliche Elektronik?

 
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Prof. Dr. Theodor Hänsch: Man braucht Systeme, die den Regeln der Quantenmechanik folgen. Also Dekohärenz ist Gift. Ich muss deshalb ein System haben, das ich gut von der Umgebung abkoppeln kann. Beispiele dafür sind Ionen in Ionenfallen, die im Vakuum freischwebend gefangen sind, oder ultrakalte Atome in Magnetfallen. Neuerdings vielleicht auch Quantendots in Festkörpern, solche Sachen. Und das muss ich vor der Umgebung schützen können, so dass ich auch im Prinzip nicht rauskriegen kann, in welchem Zustand sich diese Systeme befinden. Und dann muss ich sie aber noch koppeln: Ich muss Gatter realisieren können, in denen zwei solcher Qubits zusammenwirken, um ein bestimmtes Ergebnis zu liefern. In elementaren Bausteinen ist das ja schon
theodor_haensch
demonstriert. Aber im Zusammenwirken und mit der notwendigen Fehlerfreiheit... Da sind glaube ich auch die Experten inzwischen sehr skeptisch. Wahrscheinlich kann man das nicht so schnell realisieren. Bill Phillips, der da ein Quanten-Science-Center in Maryland gegründet hat glaubt, die Chancen stehen bei 50%, dass sowas in 50 Jahren möglich ist.

Drillingsraum: Warum kann ein Quantencomputer nicht mit Hilfe eines normalen Computers simuliert werden?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Man kann ihn schon simulieren, nur steigen halt die Rechenressourcen exponentiell mit der Zahl der Qubits. Und das heißt, bei etwa 50 Qubits sind dann auch die Supercomputer am Ende.

Drillingsraum: Was wird ein Quantencomputer können, was mein Computer zu Hause heute nicht kann?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Was heutige Computer nicht gut können ist der Umgang mit Problemen, deren Schwierigkeit exponentiell mit der Zahl der Teilchen anwächst. Wenn ich beispielsweise ein wechselwirkendes System von Spin-Teilchen berechnen will, dann wächst die Komplexität eben exponentiell mit der Zahl der Teilchen, sofern ich alle Korrelationen mitnehmen will. Und man kann sich Folgendes überlegen: Der größte heutige Computer schafft vielleicht so 50 Teilchen. Wenn ich Moore's Law annehme, dann wächst die Computerleistung natürlich auch exponentiell. Aber trotzdem kann man abschätzen, dass man in unserer Lebenszeit wohl nicht über 70 Teilchen hinaus kommen wird. Aber 100.000 Teilchen sind eben von vorne rein komplett ausgeschlossen. Und da wäre es denkbar, dass man mit Quantensimulatoren vielleicht bestimmte Sachen verstehen kann. Beispielsweise die Phasenübergänge in Anti-Ferromagnetischen Systemen oder so etwas. Da ist im Augenblick eben weltweit ein Wettrennen im Gange, wer denn zuerst solche Quantensysteme gut simulieren kann. Zumindest sollten wir lernen, welche Korrelationen man in Modellrechnungen mit gutem Gewissen vernachlässigen darf.

Drillingsraum: Inwieweit könnte sich die Technik eines Quantencomputers in unseren Alltagsgeräten behaupten? Kommt nach dem iPhone das iQuant?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Glaube ich nicht...

Drillingsraum: Apropos iPhone. Apple-Boss Steve Jobs war einst einer Ihrer Studenten. War er damals auch schon so ein fleißiger Bursche?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Er war ein Hörer in einer Vorlesung, er hat sich einfach dafür interessiert. Er war nicht als Student eingeschrieben. Und es war klar, dass er jemand mit Vision und Charisma war, auch schon damals.
theodor_haensch

Drillingsraum: Im Prinzip sind bestimmte Berechnungen an quantenmechanischen Systemen nur durch die Rechenleistung unserer Computer beschränkt. Kurioserweise sind es aber die Quantencomputer selbst, die solche Berechnungen eines Tages deutlich verbessern könnten. Man hat fast das Gefühl, die Quantenmechanik selbst hilft mit, sich weiterzuentwickeln...

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Ja. Sagen wir mal, unser Verständnis für die Quantenmechanik kann man sicher durch Experimente verbessern. Und an was in der Vergangenheit halt nicht so viel experimentiert wurde, sind Vielteilchensysteme. Wir haben natürliche Vielteilchensysteme wie etwa Hochtemperatur-Supraleiter. Aber die sind so komplex, dass man nur sehr schwer rauskriegen kann, was da eigentlich vor sich geht. Oder Moleküle, gut, da macht man inzwischen Fortschritte. Aber gerade durch dieses Konzept der Quantensimulation können wir wahrscheinlich mehr über solche komplexen Vielteilchensysteme lernen. Wir haben ja schon ganz merkwürdige Zustände entdeckt. Nicht wahr, das Bose-Kondensat ist ein merkwürdiger Zustand der Materie. Und die Vermutung ist, dass man noch andere, nicht weniger merkwürdige Zustände entdecken kann.

Drillingsraum: Könnten Quantencomputer eine neue Ära auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz einläuten?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Glaube ich eher nicht...

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