CERN und Schwarze Löcher

matthias_schott
Dr. Matthias Schott

Interview mit CERN-Physiker Dr. Matthias Schott

Teil 3: Dr. Matthias Schott über die Kritik,
die das CERN in letzter Zeit erreicht

Drillingsraum: Es gibt noch ein starkes Argument, das für die Ungefährlichkeit der CERN-Experimente spricht: Auf unsere Erdatmosphäre treffen permanent hochenergetische kosmische Teilchen, beispielsweise Partikel des Sonnenwindes. Bei diesen Kollisionen werden sogar noch größere Energiemengen frei als bei den CERN-Experimenten. Allem Anschein nach ist die Erde aber noch da, was ein untrügerisches Indiz dafür ist, dass bei solchen Kollisionen schlichtweg nichts gefährliches passiert. Kritiker behaupten jetzt aber, die Stoßprozesse in der Erdatmosphäre seien nicht mit denen am CERN vergleichbar. Haben sie damit Recht?

Dr. Matthias Schott: Zum Einen ist es richtig, dass die kosmische Höhenstrahlung wesentlich mehr Energie besitzt als die Strahlung bei den CERN-Experimenten. Um uns herum passieren also permanent Kollisionen mit Energien, die viel viel größer sind als diejenigen bei unseren Experimenten. Leider können wir diese Kollisionen aber nicht vermessen, da man nie weiß, wo eine solche Kollision stattfindet. Aus diesem Grund baut man dann eben Beschleuinger. Da es nun die Erde, die Sonne und die Planeten offensichtlich gibt, ist das schon mal ein sehr starker Hinweis dafür, dass nichts wirklich Schlimmes passieren kann. Mit diesem Argument kann man recht viele Szenarien ausschließen, wie zum Beispiel sogenannte Vakuumblasen. Bei den Schwarzen Mini-Löchern kann man dieses Argument nicht so leicht
 
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Auf unsere Erdatmosphäre treffen permanent Teilchen mit hoher Geschwindigkeit. Die Stoßprozesse die dadurch entstehen sind mit denen am CERN vergleichbar. Sollten die Stöße gefährlich sein, dürfte es die Erde bzw. andere Himmelskörper wie etwa Neutronensterne längst nicht mehr geben.

anwenden. Diese, die durch kosmische Höhenstrahlung entstehen könnten, hätten nämlich sehr hohe Geschwindigkeiten. Folglich kann man argumentieren, dass die kleinen Schwarzen Löcher, die aus kosmischer Höhenstrahlung stammen, einfach durch die Erde durchfliegen und keinen Schaden anrichten, während die kleinen schwarzen Löcher am CERN dagegen auch langsam sein, und deshalb in die Erde gelangen könnten.

Drillingsraum: Im März diesen Jahres wurde das CERN von 2 Amerikanern verklagt, die Angst vor einem möglichen Weltuntergang haben. Hat diese Klage letztendlich etwas bewirkt? Zumindest die Öffentlichkeit scheint dadurch ja sehr aufmerksam geworden zu sein...

Dr. Matthias Schott: Soweit ich weiß erstmal gar nichts. Man kann das CERN als internationale Organisation, bei dem die USA nicht einmal voller Mitgliedsstaat ist, nicht in den USA verklagen – wir sind da ja auch nicht börsennotiert. Die beiden haben aber auch des Department of Energy verklagt, dass in den USA üblicherweise auch die Forschung innerhalb
 

der Teilchenphysik finanziert. Und es gibt recht viele US-Institute, die an den CERN-Experimenten beteiligt sind. Aber auch in diesem Fall kann das den Start des Beschleunigers am CERN nicht verhindern, da dieser ausschließlich vom CERN gebaut wurde.

Drillingsraum: Gibt es nun eine Auflage für das CERN, dass es die entsprechend kritischen Experimente erst dann starten darf, wenn es eindeutig bewiesen hat, dass keine Gefahr von eventuell entstehenden Schwarzen Löchern ausgeht?

Dr. Matthias Schott: Es wäre ja vollkommen verantwortungslos so etwas zu bauen, wenn man nicht vorher wüsste, dass es ungefährlich ist. Die meisten Leute am CERN haben natürlich auch Familien und keiner würde wollen, dass irgendetwas schlimmes passieren kann. Die größte Gefahr am CERN besteht darin, vom Büro ins Restaurant zu laufen und auf dem Weg dorthin von einem Auto überfahren zu werden. Was ich damit sagen will:

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So große Technik für so kleine Teilchen: Der ATLAS-Detektor ist der größte Detektor am CERN. Er soll als erster das so heiß ersehnte HIGGS-Teilchen finden.
 

Bevor man solche Experimente baut, gibt es immer einen Sicherheitsbericht, der mögliche Gefahren klärt - ganz unabhängig davon, ob man vorher verklagt wurde oder nicht. Das war bei den Experimenten am Tevatron so, das war bei den RHIC Experimenten so, und das war natürlich auch bei den LHC-Experimenten der Fall. Inzwischen gibt es sogar eine neue Version des Berichts auf den CERN-Internetseiten herunterzuladen. Übrigens wird dieser Bericht von Leuten verfasst, die natürlich nicht an den Experimenten beteiligt sind, die also wirklich unabhängig sind. Zudem gehören die Physiker der Safety-Gruppe zu den besten Physikern weltweit und es sind nicht etwa andere Leute wie z.B. Biologen oder Chemiker, die nicht wirklich verstehen würden um was es geht.

Drillingsraum: Warum kommen die kritischen Stimmen eigentlich erst jetzt? Der Bau des LHC dauert schließlich schon Jahre, die Kritiker haben doch schon vorher gewusst was da entsteht...

Dr. Matthias Schott: Ich glaube, diese beiden Amerikaner haben das auch schon bei anderen Experimenten gemacht, so zum Beispiel beim RHIC Experiment. Vielleicht machen Sie sich wirklich sorgen, vielleicht wollen Sie aber auch nur Ihren Namen in der Zeitung stehen sehen. Ich meine, die beiden standen ja nun wirklich wochenlang im Rampenlicht – sogar die BILD und RTL2 haben darüber berichtet. Wenn das mal nichts ist.

Drillingsraum: Viele Menschen haben auch Angst davor, dass die Antimaterie, die zwangsläufig bei den Experimenten entsteht, mit der Detektorwand in Berührung kommen könnte und dort wie eine Art Bombe wirkt. Solche Überlegungen ergeben wohl eher keinen Sinn, oder?

Dr. Matthias Schott: Richtig, solche Überlegungen machen keinen Sinn. Egal wie viel Antimaterie man am CERN erzeugt, man benötigt vorher immer wesentlich mehr Energie, als später bei der Kollision von Antimaterie mit Materie frei werden kann. Zudem ist die Masse der entstehenden Anitmaterie so klein, dass man sie ohne aufwendige Detektoren gar nicht nachweisen kann. Also Kettenreaktionen gibt es mit Sicherheit nicht.

Vielen Dank für das Interview

 
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