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Drillingsraum: Welche Bedeutung haben Wissenschaft und Forschung für unsere heutige Gesellschaft? Joachim Bublath: Wir leben auf einer überbevölkerten Erde. Die Vision zurück zu den Wurzeln, also „werde wieder Ackerbauer“ wird für die Vielzahl der Leute, die wir hier auf der Erde haben, nicht ausreichen. Wir können auf diesem Raumschiff Erde eigentlich nur durch hochorganisiertes Leben in der Gesellschaft intelligent weiterleben. Und da ist es ganz wichtig, die Naturwissenschaften, die ja die Grundlage für Technik sind, weiter zu entwickeln. Nur durch diese Naturwissenschaften werden wir uns Möglichkeiten schaffen, in diesen über 6 Milliarden Menschen auf der Erde zu überleben. Es ist eine Einsicht, die man haben muss, egal ob man nun Naturwissenschaften mag oder nicht. Es gibt noch eine andere Komponente für Naturwissenschaften: Man will Erkenntnis gewinnen. Aber die dringendere ist eben die, die ich zuvor genannt habe. Drillingsraum: Die heutige Wissenschaft ist auf ihren jeweiligen Gebieten hochspezialisiert. Ihre komplexen Methoden und Spezialbegriffe machen sie für die Allgemeinheit praktisch undurchschaubar. Wie könnten neue Wege im Wissenschaftsjournalismus aussehen, um die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern? Joachim Bublath: Das Wichtige ist ja, oder das Schlimme ist, dass die Naturwissenschaften mathematisiert sind, und die Leute nicht unbedingt etwas mit Mathematik zu tun haben wollen. Und das, obwohl Mathematik eigentlich relativ einfach zu lernen ist. Das kann keine Schwierigkeiten machen wenn man eine gewisse Logik hat, und die hat jeder schon genetisch in sich festgelegt. Aber es gibt irgendwo eine gefühlsmäßige Abwehr, Mathematik ist zu schwierig, zu komplex, und da wollen die Leute auch nicht durch. Wenn Sie sich mal diese Schlaraffenlandgeschichte in Erinnerung rufen: Da hat man einen dicken Griesbrei durch den man sich erstmal |
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ganz notwendig ist, weil Sie die Quantenmechanik oder die Relativitätstheorie ohne mathematisches Rüstzeug überhaupt nicht erkennen können. Deshalb tendieren viele Leute zu einfacheren Weltbildern, wo diese Mathematik eben nicht vorkommt, und das ist dann keine Naturwissenschaft mehr. Da komm' ich dann schon fast auf Esoterik und Irrationalität. Ich denke man kann diese Geschichte für die Leute ein bisschen eleganter machen, aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Und da können die Wissenschaftler noch so kommunikativ sein, die Nacht der Wissenschaften machen und so weiter, ohne Mathematik bleibt das alles auf einem unteren Verständnislevel hängen. Allein mit Eselsbrücken und knallenden Experimenten kann man Naturwissenschaften eben nicht weitergeben. Drillingsraum: Sollten sich auch die Wissenschaftler selbst stärker darum bemühen, Ihre Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Joachim Bublath: Das ist ja diese alte Diskussion, die kenn' ich seit 30, 40 Jahren. Natürlich ist es gut, wenn ein Wissenschaftler Auskunft gibt. Aber ein Wissenschaftler wird nie eine breite Masse für Naturwissenschaften interessieren können sag' ich mal, weil er auf einem engen Spezialgebiet arbeitet. Diese Arbeit ist ja nicht so gemacht, dass sie der Öffentlichkeit zur Unterhaltung dient, sondern es ist ein Spezialgebiet. Und darin liegt auch der Unterschied beim Wissenschaftsjournalismus: Wenn ich Fußballreporter bin, dann berichte ich über ein Ereignis, das für die Öffentlichkeit gemacht ist. Fußball ist attraktiv. Ob das Fernsehen nun daneben steht oder nicht, ist egal. Das ist eine ganz einfache Geschichte. Wenn Sie über Naturwissenschaften berichten, müssen Sie aus diesen Einzelstücken der Arbeiten, aus diesem Mosaik, etwas zusammensetzen, eine Dramaturgie erfinden, es allgemeinverständlich machen, es spannend machen. So, das ist die doppelte, dreifache Arbeit gegenüber anderen Leuten, die wie gesagt über Sportereignisse oder Theater oder so etwas berichten, über Ereignisse, die schon in der Gesellschaft verankert sind. Bei den Naturwissenschaften sitzt der Einzelne über seinen Wellenfunktionen und rechnet, das ist einfach nicht für ein breites Publikum gemacht. Drillingsraum: Blicken wir mal auf den Wissenschaftsjournalismus in anderen Ländern und Kulturen. Sind Wissenschaft und Forschung im gesellschaftlichen Leben überall so unterrepräsentiert oder ist das ein typisch deutsches Phänomen? Joachim Bublath: Es ist unterrepräsentiert, aber die Leute sind viel gieriger was das Lernen angeht. Ich mache ja jetzt Beratungen in China und Südkorea für das Universitätsfernsehen. Die Leute dort wollen aus ihrer Situation heraus, da ist Wissenschaft quasi das Vehikel zu wirtschaftlichem Wohlstand. Allerdings gibt’s auch viele Leute, die wirklich daran interessiert sind. Ich denke, jeder Mensch ist so angelegt, dass er die Welt die um ihn herum existiert auch verstehen will. Er will nicht nur der Strohhalm sein, der in den Naturgewalten hin und her wankt. Er will wissen: Wie ist sein Standing, und er ist neugierig, was Naturwissenschaften darüber sagen können. Diese Neugier kann man natürlich in allen Kulturen ausnutzen. Ich hab' ja auch viele ethnologische Filme gemacht. Wenn ich bei Indianerstämmen bin und denen etwas vorführe, zum Beispiel flüssige Kristalle die ihre Farbe mit der Temperatur verändern, sind die natürlich erstaunt, und wollen das dann auch wissen. Unsere |
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immer unsere Experimente und Moderatoren präsentiert. Meine Idee war dann, einen lokalen Moderator dazwischen zu setzen, ein Südamerikaner oder Afrikaner sieht eben anders aus als ein Nordeuropäer. Es sollte von deren Seite nicht heißen: „Da ist wieder nur dieser Weiße, der da was erzählen will“, die Idee war es, diese Schranke zu überschreiten, um dann mehr Leute dazu zu bekommen. Außerdem gibt es in den asiatischen Kulturen ein viel tieferes Interesse für Erfindungen, die wollen irgendwo besser sein als der Andere. Ich habe ja auch mal so Erfindersendungen gemacht, sowas gibt es auch in Japan. Dort zeigen sie Erfindungen, die für uns oft lächerlich sind, aber aus diesem Potential kommen immer noch ein paar ganz gute Piekse raus. Das ist in solchen Kulturen weitaus stärker entwickelt als bei uns, weil wir auch von unserem Bildungssystem her Naturwissenschaften nicht unbedingt in den Mittelpunkt stellen. Drillingsraum: Angela Merkel wurde Bundeskanzlerin, Ulrich Walter flog ins All, Sie wurden Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator. Ist ein Physikstudium ein Türöffner für Tätigkeiten in verschiedensten Berufsfeldern? Joachim Bublath: (lacht) Ja, aber das können Sie für viele andere Studiengänge auch sagen. Ich denke heute sind die Zeiten vorbei, in denen man ein Fach studiert hat und dann irgendwo in einem Forschungslabor für Physik endet. Für mich wäre das auch eine fürchterliche Idee gewesen, im Siemens-Forschungslabor zu enden und dort immer irgendwelche LED's oder so etwas zu entwickeln. Nein, ich denke, heute ist ein Studium dazu da, dass man ein Feld bearbeitet und zeigt, dass man selbstständig arbeiten und vor allen Dingen auch selbstständig denken kann. Dann ist man überall einsetzbar. Und je breiter das Studium angelegt ist, also je vielfältiger die Einsichten sind, umso sinnvoller ist so ein Studium, weil man dann auch relaxt mit anderen Aufgaben in der Gesellschaft umgeht. Vielleicht haben Physiker einen kleinen Vorteil gegenüber anderen Fächern wie Medizin und so weiter, eben dadurch, dass sie natürlich schon ein breiteres Weltbild bekommen, und Grenzen von Modellen gut einschätzen können. Es gibt natürlich auch ganz schmalspurige Leute, die nur Festkörperphysik machen und sagen: „Meine Phononen sind interessant, und nichts anderes.“ Drillingsraum: Deutschland war einst führend in den Wissenschaften. Heute fehlen uns jedoch qualifizierte Wissenschaftler, da viele unserer Leute ins Ausland abwandern. Glauben Sie, unsere Politik und Hochschullandschaft erlauben es, uns irgendwann einmal wieder vorne mitspielen zu lassen? Joachim Bublath: Es muss sich sicher sehr viel ändern. Ich sitz' ja da in so einem Kuratorium für die Max-Planck-Gesellschaft und sehe wie schwierig es ist, Leute aus Amerika zurück zu werben. Viele junge Wissenschaftler wollen ja gerne zurück, weil ihnen das kulturelle Umfeld in Europa mehr taugt als in Amerika, das ist so. Aber die Arbeitsbedingungen, die sie in Amerika für junge Leute geschaffen haben, sind natürlich weitaus besser. Der Trick der Amerikaner ist der: Es gibt immer eine Spielwiese, man kann Naturwissenschaften also ohne zielgerichtete Meilensteine betreiben, und da kommen dann auch diese Nobelpreisträger her. Wenn man älter ist, fällt einem nicht mehr so viel ein wie als junger Mensch, und deshalb ist es wichtig, jungen Leuten eine Spielwiese zu geben. Und das wird da sehr geschickt gemacht. Mein Sohn zum Beispiel wurde auch abgeworben, die haben dem einfach ein Stipendium angeboten. Aber der ist ja Musiker, also Master of Music, |
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Verschwendung von Steuergeldern: Wir bilden junge Leute aus, die dann später irgendwo anders hingehen. Das kann nicht sein. Die leben quasi von den Früchten, deren Basis wir hier in Europa erzeugt haben. Das ist ja die alte Geschichte: Wir sind kein rohstoffreiches Land, deshalb brauchen wir Ausbildung und Innovation. Und von der Politik muss das erkannt werden, es muss auch viel mehr Geld da rein gesteckt werden. Wenn früher jemand einen Nobelpreis gekriegt hat, Mößbauer zum Beispiel, dann hat der sein eigenes Institut bekommen. Auch Garching ist dadurch entstanden. Da hat der Strauß, das war dieser Politiker hier in Bayern, dem Mößbauer ein Institut geschenkt. Unsere Gruppe aus Frankfurt ist daraufhin hier runter gekommen, wir waren daraufhin die Theoretiker dieser Mößbauer-Gruppe. Drillingsraum: Sie haben mit Professor Mößbauer zusammengearbeitet...? Joachim Bublath: Ja, wir waren die Theoretikergruppe in Garching. Damals gab's dort das IBM 360 Computersystem, wir mussten in der Festkörperphysik ja immer solche Matrizen diagonalisieren, das waren riesige Rechenzeiten die wir da hatten. Das waren so die Anfänge. Wir sind noch über das Schlammfeld gelaufen, und mussten zum Essen irgendwie wieder nach München rein. Allerdings war die Verkehrssituation damals viel einfacher, man konnte in 20 Minuten mit dem Auto reinbrummen, vollgepackt mit mit 6 Leuten. Benzin war auch billiger, deshalb hat es uns auch nicht so gestört. Das alles war aber rein zufällig und kam nur dadurch, weil der Strauß dem Mößbauer aufgrund des Nobelpreises eben dieses Geschenk gemacht hat. Das war offenbar immer üblich, dass die dann einen Lehrstuhl bekommen haben. Aber so viele Nobelpreisträger haben wir gar nicht gehabt. Drillingsraum: Früher gab's mehr in Deutschland. Und in München gibt es ja auch noch den Herrn Professor Hänsch... Joachim Bublath: Ja gut, das hat natürlich damit zu tun, dass durch die Nationalsozialisten viele Leute rausgeekelt wurden, das ist ja ein großer Verlust gewesen. Ein weiterer Grund: Wir haben heute durch die vielen Ablenkungsmöglichkeiten eine ganz andere Gesellschaft, heute ist das für junge Leute sehr viel schwieriger. Es gibt auch solche Berufe wie Medienwissenschaftler, und ich bekomme immer Zuschriften: „Wie komme ich in die Medien, ich möchte dies und jenes gerne machen...“ Nur, die Zeiten haben sich geändert. Wenn einer die Fußspuren eines anderen verfolgt, dann macht er keine eigenen Spuren. Davon kann ich nur abraten. Die Wertung der Bildung und des Wissens ist in unserer heutigen Gesellschaft auch nicht mehr so hoch, dazu |
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decke so hoch war, dass sie von unten angestrahlt wurde. Die Moderatorin hat dann gesagt: „Schauen Sie mal nach Osten, da gibt es einen tollen Sonnenuntergang“, das war ein berühmter Privatsender hier in München. Dann kamen natürlich viele Anrufer die gesagt haben: „Die Sonne geht aber im Westen unter!“ Die Moderatorin hat dann nur gemeint: „Das kann ich im Augenblick nicht lösen, einigen wir uns darauf: Manchmal geht die Sonne im Westen, und manchmal im Osten unter!“ Wenn wir früher so einen Fehler gemacht hätten, also wir hätten uns irgendwo hingebissen und die ganze Nacht nicht geschlafen. Hotelangestellte: (klopft am Konferenzraum) Entschuldigung, wollt' nur fragen ob Sie vielleicht noch einen Kaffee oder Tee möchten? Joachim Bublath: Danke nö, ich brauch' nix. Drillingsraum: Nein Danke. Joachim Bublath: ...also am Ende wird das dann alles in die Comedy gezogen, genau wie bei dieser Moderatorin, die eben nur fröhlich oder freundlich sein wollte. Sie sehen das auch bei den Jungjournalisten die kommen: Deren Ausbildungsfeld ist nicht mehr so breit wie früher, dadurch können sie auch keine vielfältigen Texte mehr schreiben. Ich denke diese Schmalspurigkeit fängt schon in der Schule an. Auch wenn mein Sohn zum Beispiel Musiker geworden ist, bedauere ich es, dass er von der Chemie und der Physik nicht mehr mitgenommen hat. Dabei hätte er das Zeug für die Mathematik durchaus gehabt. Ich hätte ihn nie dazu bringen wollen, das auch zu tun, aber dieses Spektrum hilft ihm ja auch in seinem weiteren Leben. Schlimm ist auch, wenn sogenannte Industrielehrstühle eingerichtet werden, also irgendwelche Firmen wie Linde oder Siemens einen Lehrstuhl sponsorn. Wenn dann auch noch die Ziele für die Forschung vorgegeben werden, ist das keine Forschung mehr, denn Forschung muss etwas Unbekanntes sein. Ich fürchte den Trend, dass die Industrie aus Profitdenken heraus die Universitäten für diese Geschichten missbrauchen wollen, und immer weniger Grundlagenforschung betrieben wird. Hätte zum Beispiel der David Hilbert früher nicht vor sich hingeforscht, hätten Heisenberg und Schrödinger kein mathematisches Gerüst gehabt, um ihre Quantenmechanik in diesem Hilbertraum zu entwickeln. |
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