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Drillingsraum: Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um sich einer wissenschaftlichen Karriere an der Uni zu stellen?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Sie müssen absolut davon überzeugt sein, dass Sie es wollen. Der Weg zur Professur ist in der Regel schon eine ziemliche Ochsentour. Es gibt natürlich auch Beispiele, wo es gut geklappt hat, aber in gewisser Weise ist es auch ein Lotteriespiel. Erstmal müssen natürlich die wissenschaftlichen Voraussetzungen da sein. Wenn Sie als Physikstudent im Mittelfeld herumgekrochen sind, werden Sie keine Chance für eine Universitätslaufbahn haben. Wenn Sie promoviert werden und letztendlich die Habilitation schaffen, haben Sie schon einen gewissen Stand erreicht. Sie befinden sich dann in einer kleineren

Konkurrenzgruppe, aber es gibt immer noch sehr viele Mitspieler. Im Schnitt bewerben sich 50 bis 100 Leute auf eine Professur. Alles exzellente Leute, die die gleiche Ausbildung haben wie Sie. Letztendlich muss alles perfekt sein. Die von der Stelle ausgeschriebene Thematik muss
"Der Weg zur
Professur ist in
der Regel schon
eine ziemliche
Ochsentour"
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genau zu Ihrem Forschungsgebiet passen. Sie müssen gewissermaßen ein Alleinstellungsmerkmal haben, auf Ihrem Gebiet top sein. Es kann durchaus vorkommen, dass Sie trotz hervorragender wissenschaftlicher Leistungen nichts finden, da es in dem Moment vielleicht einfach keine Ausschreibung gibt, die genau auf Sie passt. Man braucht viel Geduld. Natürlich kann es passieren, dass man in diesem Lotteriespiel sofort den Hauptgewinn zieht. Andere brauchen da sehr viele Anläufe und können erstmal nur Zeitstellen annehmen. Es gibt ja außer den Professorenstellen keine Permanentstellen mehr an den Universitäten, dann geht man ein Jahr hierhin, ein Jahr dorthin. Wenn Sie eine Familie haben, ist das ein großes Problem. Und immer dieses Damoklesschwert: Am 1.12., beispielsweise, läuft der Vertrag aus, man muss auf Teufel komm raus publizieren, und man hat kaum noch Muße, sich in ein neues Arbeitsgebiet einzuarbeiten. Das sind alles Randbedingungen, die sehr schmerzen können. Deswegen brauchen Sie die volle Überzeugung.

Drillingsraum: Wann macht es Sinn, nach dem Studium zu promovieren, wann nicht?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Wenn jemand die richtige Einstellung und den richtigen Ehrgeiz hat, würde ich eine Promotion immer empfehlen. Bei mir zum Beispiel war das so, dass ich mich austesten wollte. Hätte ich es nicht gemacht, hätte ich mir vielleicht 10 oder 20 Jahre später gesagt: „Das hättest ja eigentlich machen können!“

Drillingsraum: Hätte ich bloß...

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Hätte ich bloß, und dann geht’s nicht mehr. Es muss schon direkt nach dem Studium passieren. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, wo die Leute erstmal einen Beruf erlernt haben und dann wieder zurück gekommen sind, die bewundere ich sehr.

Drillingsraum: Kennen Sie Brian May, den Gitarristen von Queen?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Ich glaube nicht, nein...

Drillingsraum: Der hat mit über 60 noch seinen Doktor in Astrophysik gemacht.

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Ja? Eine ganz bewundernswerte Ausnahme.

wolfgang_nolting  
"Wenn zwei Physiker
miteinander reden, weiß
der eine oft gar nicht,
was der andere ihm
gerade sagen will"

Drillingsraum: Oft hört man von jungen Doktoren, dass die Zeit des Promovierens alles andere als einfach ist. Worin liegen denn die größten Herausforderungen in dieser Zeit?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Es kommt darauf an. Heutzutage ist es so, dass jeder Doktorand in einem Alter ist, in dem er möglicherweise schon eine Familie hat, oder anstrebt, eine Familie zu gründen. Auf jeden Fall muss er irgendwie seinen Lebensunterhalt bestreiten, deshalb arbeiten manche Doktoranden noch nebenbei.

Drillingsraum: Schafft man das zeitlich?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Eigentlich ist es nicht möglich. Das Schreiben der Doktorarbeit ist ein Full Time Job. Selbst die, die hier in den Universitäten eine Stelle bekommen, müssen am Übungsbetrieb teilnehmen und Übungen oder Seminare abhalten, das ist außerordentlich zeitaufwändig, wenn Sie das ernst nehmen. Wenn Sie gute Übungen machen wollen, sind das nicht nur die zwei Stunden, die Sie in der Übungsstunde sind. Die Vorbereitung gehört auch noch dazu. Ich glaube ein Doktorand leidet vor allem unter dem Zeitdruck. Er will ja in einer endlichen Zeit fertig werden, und das muss er auch, wenn er anschließend noch entsprechende Chancen haben will. Ansonsten hängt auch viel vom Team ab. Die Frage ist, wie man darin zurecht kommt, und wie anstrengend es ist, sich dort durchzusetzen. Von meiner Doktorandenzeit kann ich sagen, dass es eine der schönsten Zeiten in meiner Physiklaufbahn war. Ich konnte da richtig originell sein, musste etwas erforschen, nicht nur reproduzieren, wie während der Vorlesungen, sondern wirklich auch produzieren. Gerade in der Theorie ist es so schön, wenn man ein Problem hat und plötzlich die Lösung findet. Oder zumindest eine gute Näherung davon. Das ist ein großes Glücksgefühl. Auf der anderen Seite kann es auch tiefe Frustration bedeuten, wenn man wochenlang vor seinem Blatt sitzt und nichts rausbekommt. Das kann tiefe Wunden schlagen, da gibt es sehr tragische Beispiele in unserer Umgebung hier. Es ist einfach der Erfolgsdruck, der da natürlich eine Rolle spielt. Und man will irgendwann fertig werden. Wenn Sie sich sagen: „Ich habe einen wunderschönen Beruf, eine intakte Familie und wir sind gut versorgt“, dann könnte man die Doktorarbeit auch als Hobby auffassen. In der Physik würde das aber gar nicht gehen, vielleicht in den Geisteswissenschaften, ich weiß es nicht.

Drillingsraum: Was wäre ein attraktives Alter, um mit der Doktorarbeit abzuschließen?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Ich würde sagen mit 30 sollte man fertig sein. Es gibt genügend gute Beispiele, wo die Leute dann 31 oder 32 sind, aber wenn Sie erst mit 36 fertig sind... Ohne Grund muss man immer dazu sagen. Wenn Sie natürlich zwischendrin 5 Jahre Berufserfahrung gesammelt haben, ist das was anderes, aber

wenn man nicht so richtig erkennen kann, warum jemand solange gebraucht hat, dann glaube ich werden sich Personalchefs eher für jemanden entscheiden, der alles zügig gemacht hat. Eine Universitätslaufbahn kann man vergessen, wenn man erst mit 36 promoviert.
"Das kann
tiefe Wunden
schlagen"
wolfgang_nolting

Drillingsraum: Wenn man mal gedanklich den Weg vom Physikstudium über die Diplomarbeit bis hin zur Doktorarbeit durchgeht, erkennt man, dass man sich im Laufe der Zeit immer enger auf ein bestimmtes Thema festlegen wird. Muss man sich irgendwann damit abfinden, der Vielfalt der Physik den Rücken zu kehren und sich nur noch mit seinem Spezialgebiet zu beschäftigen?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Das ist die Realität. Es ist schade, aber es ist so. Wer konkurrieren will, muss absoluter Spezialist sein. Newton beispielsweise konnte damals ein Studium Generale absolvieren, dadurch hatte er das Wissen, um auf verschiedenen Gebieten Großes zu Leisten. Das geht heute eigentlich nicht mehr. Es gibt immer Ausnahmen, ich könnte ein paar Personen nennen, von denen ich weiß, dass die noch einiges Andere drauf haben. Aber im Normalfall muss man sich spezialisieren, leider. Ein wenig kann man das dadurch ausgleichen, dass man Kolloquien organisiert. Der Redner, der gerade vor meiner Tür steht, ist eben aus diesem Grund hier. Natürlich ist es auch sehr wichtig, sich mit Nachbarbereichen des eigenen Gebiets zu beschäftigen, weil gewisse Dinge manchmal zweimal erfunden werden. Später merkt man: Mensch, die anderen haben ja auch schon an dieser Methode gearbeitet. Hätte man einen besseren Austausch gehabt, wäre man vielleicht schneller am Ziel gewesen. Das geht aber nicht so einfach, oft fehlt es schon an einer gemeinsamen Sprache, und das unter Physikern! Wenn zwei Physiker miteinander reden, weiß der eine oft gar nicht, was der andere ihm gerade sagen will. Nicht weil das Thema so kompliziert ist, sondern weil die Notation von Fachgebiet zu Fachgebiet teilweise sehr unterschiedlich sein kann.

Drillingsraum: Sie haben vorher die Konkurrenz zwischen den Universitäten angesprochen. Ist das andererseits nicht auch Teamarbeit? Was überwiegt letztendlich?

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Aus meiner Sicht ist es die Teamarbeit. Ich habe sehr stark von einem Sonderforschungsbereich profitiert, in den ich aufgenommen wurde, bei dem die Freie Universität die Sprecheruniversität war. Die sind an mich herangetreten und meinten, das würde thematisch gut passen. Das war ein absoluter Glücksfall für mich. Wir konnten da hervorragende Arbeiten machen, und für junge Leute gibt es sehr gute Möglichkeiten, sich zu profilieren. In diesem Fall überwiegt eindeutig die Teamarbeit. Es ist aber nicht so, dass man täglich aufeinanderhockt. Man telefoniert, trifft sich, macht kleine Workshops. In gegenseitigen Besuchen zwischen uns und der Freien Universität Berlin haben wir mit der gesamten Arbeitsgruppe Vorträge gehalten, um zu sehen, ob es irgendwelche Überlappungen in der Forschung gibt die man ausschlachten kann.

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"Eine Universitäts-
laufbahn kann man
vergessen, wenn man
erst mit 36
promoviert"

Drillingsraum: Die Konkurrenz wächst erst, wenn jemand kurz vor einem Durchbruch steht...

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Klar. Damals zu meinen Direktorenzeiten, als der erste Überschwang weg war und die Gelder knapp wurden, gab

es natürlich schon die Frage, ob wir hier in Berlin wirklich drei Universitäten brauchen. Gerade Naturwissenschaften sind ja sehr teuer. Die Idee war dann: Ja, wir können drei Universitäten haben, aber wir müssen nicht an allen dreien Naturwissenschaften machen. Die Geisteswissenschaften an der Humboldt Universität, mit den Naturwissenschaften gehen wir an die Freie Universität. Wir mussten dann tatsächlich unsere Bedeutung hier her ausstellen, da kam dann schon ein bisschen Konkurrenzdenken durch. Was natürlich durchaus auch konstruktiv sein kann.

Drillingsraum: Es treibt an.

Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Das treibt wirklich an.

 
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