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Drillingsraum: Unter Physikstudenten haben Sie durch Ihre studienbegleitenden Bücher einen gewissen Kultstatus erreicht. Wie entstand die Idee zu dieser Lehrbuchreihe? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Ich weiß nicht ob Sie das veröffentlichen sollten (lacht). Ich war damals Privatdozent in Münster, zu der Zeit gab es noch 300 Erstsemester. Gleich am Anfang wurde ich in den so genannten integrierten Kurs hineingeworfen. Das war eine neue Form der Lehrvermittlung, bei der man die theoretische und experimentelle Physik vom ersten Semester an bringt. Zu meinen Studienzeiten gab es das noch nicht, die Theorie kam erst im dritten Semester, da man damals meinte, die Studenten sollten vorher erst mal die Mathematik lernen. Da jedoch das, was der Mathematiker vermittelt, dem Physiker auch nicht immer direkt hilft, hat man das geändert. Das habe ich in Münster mitgemacht, als junger und völlig unerfahrener Privatdozent |
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Drillingsraum: Alles wegen der Handschrift? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Wegen der Handschrift. Deswegen habe ich beschlossen, lecture notes rauszugeben. Aber mit einer gewissen Zeitverzögerung, damit die Studenten noch weiterhin in die Vorlesung kommen (lacht). Diese lecture notes sind einem ganz kleinen Verlag in die Hände gefallen. Die haben mich daraufhin angesprochen und eingeladen, mir einen wunderschönen Wein serviert und dann habe ich einen ganz kuriosen Vertrag unterschrieben. Einen Vertrag über „Diverse Bände zur theoretischen Physik“. Später habe ich immer gerätselt: Was heißt divers? Größer gleich 2? Das habe ich ein bisschen bereut, weil es doch mehr Arbeit wurde als ursprünglich gedacht. Drillingsraum: Im Endeffekt sind es ja sieben Bände geworden... Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Acht. Drillingsraum: Oder acht sogar, stimmt. Quantenmechanik ist in zwei Bände aufgeteilt. Hätten Sie die Bücher denn auch geschrieben wenn Sie vorher gewusst hätten, wieviel Arbeit das wird? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Wenn ich das vorher gewusst hätte, wahrscheinlich nicht. Wenn ich vorher aber auch gewusst hätte, wie gut das bei den Studenten ankommt, dann ganz sicher ja. Es war einfach eine meiner besten Ideen. Drillingsraum: Über welche Zeitspannen reden wir da eigentlich, sagen wir von der ersten Idee bis zum Fertigstellen des letzten Bandes? |
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aktiv waren. Die sind dann hinterher auch nicht mehr reingekommen. Alt genug, um zu sagen „das wäre mir dann auch egal“, war ich noch nicht. Was ich dann gemacht habe: Ich bin Frühaufsteher, habe immer vor dem Frühstück an meinen Büchern gearbeitet. Danach gefrühstückt, mich ins Auto gesetzt und zur Uni gefahren. Dabei habe ich mich über meine anderen Verkehrsteilnehmer geärgert, wodurch ich oben im Kopf wieder klar wurde und am Institut meinen normalen Arbeiten nachgehen konnte. Wenn Sie stattdessen sagen: „Ich arbeite jetzt jeden Morgen bis 11 Uhr an meinem Buchmanuskript, und kümmere mich dann um Forschung und Lehre“, oder was auch immer da ansteht, dann kann sich das rausziehen. Man könnte ja um kurz vor 11 Uhr noch eine neue Idee haben und am Ende gar nicht mehr von seinem Manuskript loskommen. So etwas hätte mich zurückgeworfen, ich hätte dann auch keine vernünftige Arbeitsgruppe mehr aufbauen können. Drillingsraum: Wenn der Lektor das Manuskript verlegt, ist er entweder von dem Werk überzeugt oder er sollte das Chaos auf seinem Schreibtisch nochmal überdenken, bei Ihnen war wohl ersteres der Fall. Ist es als Wissenschaftler bzw. als Wissenschaftsautor schwer einen Verlag zu finden? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Nein, aus meiner Sicht kann ich das nicht erkennen. Ich weiß auch gar nicht genau, nach welchen Kriterien das gemacht wird, aber der Verlag zieht natürlich Erkundigungen ein. Ich könnte mir vorstellen, dass man sich in meinem Fall bei Studentengruppen erkundigt hat, wie das Ganze überhaupt ankommt. Heute bin ich beim Springer Verlag, der brauchte natürlich nichts mehr zu entscheiden. Die haben einfach gemerkt, dass das bei den anderen Verlagen relativ gut lief, und haben das übernommen. Mein erster Verlag damals, der hat sich wohl erkundigt und war von diesen Vorlesungs-Skripten offensichtlich überzeugt. Ich glaube nicht, dass die später nochmal irgendwas überprüft haben, wenn dann haben sie das geheim gemacht, aber ich glaube eher nicht (lacht). |
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Drillingsraum: Das war also mehr oder weniger auch ein Glücksfall, dass die dann auf Sie zugekommen sind. Es gibt ja eine Menge Physikprofs... Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Ja, aber auch sehr viele, die das gar nicht machen würden, weil sie den Aufwand scheuen und vielleicht auch nicht den Nerv dafür haben. Andere wiederum sehen ihre Stärken womöglich ganz woanders. Es gibt Kollegen, die tatsächlich vom Verlag aufgefordert werden, in diesem oder jenem Gebiet ein Buch zu schreiben, wenn Sie bekannt oder Experten für etwas sind. Wenn die Verlagsmenschen mich hier besuchen, was sie ziemlich regelmäßig tun, dann gehen sie immer auch noch zu ein paar meiner Kollegen hier im Hause. Zum Teil um sie zu überzeugen, zum Teil nur um herauszufinden, ob da irgendwas ist, was man machen könnte. Natürlich werden auch Manuskripte abgelehnt. Ich kann mich an eine Sache erinnern, bei der ich etwas sehr empfohlen habe, der Verlag aber nein gesagt hat. Die wollen natürlich verkaufen, aber manchmal bin ich sehr erstaunt darüber, was läuft, und was nicht läuft. Drillingsraum: Ihre Bücher decken praktisch alle theoretischen Bereiche des Physikstudiums ab. Haben Sie das alles locker von der Hand geschrieben oder mussten Sie sich bestimmte Themen erstmal selbst beibringen? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Bei gewissen Sachen war es einfach so, dass die locker von der Hand gingen. Ich hatte ja gut ausgearbeitete Skripten. Aber das allein ist ja noch kein Buch. Drillingsraum: Wenn man neben dem Wissenschaftlerdasein noch eine umfangreiche Lehrbuchreihe schreibt, bleibt wohl nicht mehr viel Zeit für andere Dinge. Oder ist das nur eine Frage des Zeitmanagements? Gibt es da keine Konflikte mit anderen Bereichen des Lebens? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Ja das schon, vor allem meine Frau hat in dieser Zeit nicht so viel von mir gehabt. Als das Schreiben dann aber in einem bestimmten Rhythmus war, habe ich es auch ein wenig als Hobby aufgefasst. Es macht auch Spaß ein solches Vorlesungsmanuskript mal so richtig durchzuarbeiten und dann festzustellen, dass man wirklich alles verstanden hat. Jeder Dozent, jeder Lehrende wird Ihnen sagen: So richtig versteht man eine Sache erst, wenn man sie mal vorgetragen hat. Wer bei den Vorlesungen wirklich profitiert, ist der Dozent. Da kann man jetzt sagen: Gut, wenn ich eine neue Erkenntnis in der klassischen Mechanik habe, ist das vielleicht |
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Drillingsraum: Was lesen Sie eigentlich privat gerne, sind Sie überhaupt ein großer Leser? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: In frühen Jahren habe ich sehr viel gelesen, ich war wirklich eine Leseratte. In den letzten Jahren habe ich fast nur noch Physikbücher gelesen (lacht), weil für mehr einfach die Zeit fehlt. Wenn man ein anspruchsvolles Buch liest, was man tun sollte, muss man konzentriert sein. Dann kommt aber das schlechte Gewissen, das einem sagt: In dieser Zeit könnte man auch noch ein bisschen Physik machen. Ich muss ehrlich gestehen, dass sich das bei mir ein bisschen bemerkbar gemacht hat. Ich lese nicht mehr so viel nebenbei wie früher. Drillingsraum: Auffällig viele Physiker geben an, die Physik zusätzlich noch als Hobby zu betreiben. Theodor Hänsch und Joachim Bublath haben im Interview das Gleiche gesagt. Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Ja, das ist wohl so. Es geht sehr stark in den privaten Bereich ein, weil der Zeitaufwand, den man betreiben muss, wirklich enorm ist. Man kann sich das sicher auch ein bisschen einteilen, aber wenn ich mich in meinem Kollegenkreis umschaue, kenne ich wenige, die eine ruhige Kugel schieben. Einen richtigen Faulpelz habe ich hier noch nie gesehen (lacht). Drillingsraum: Werden Sie in Zukunft wieder Bücher schreiben? Prof. Dr. Wolfgang Nolting: Mein letztes Buch ist vor 3 Wochen rausgekommen, das ist dieses hier: „Quantum Theory of Magnetism“. Das habe ich übrigens zusammen mit einem Inder aus Warangal geschrieben, er ist meine Bezugsperson dort. Und ich glaube, jetzt reichts, man ist ja auch nicht für alles Spezialist. Das wird mein letztes Buch sein. |
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