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Drillingsraum: Was sind Magnetische Monopole? Jonathan Morris: Alle Magnete, zum Beispiel Stab- oder Kühlschrankmagnete, haben einen Nord- und einen Südpol. Wenn man einen Magneten in zwei teile bricht, erzeugt man keine getrennten Pole. Was stattdessen passiert: Man teilt den Magneten in zwei kleinere Magnete, und jeder von ihnen hat wieder einen Nord- und einen Südpol. Das ist der Grund, weshalb Magnete Dipole genannt werden, was schlicht „zwei Pole“ bedeutet. Jedoch wurde von Paul Dirac vorhergesagt, dass einzelne magnetische Pole existieren könnten. Auf die gleiche Weise wie es bei der Elektrizität positive und negative Ladungen gibt, stellen Magnetische Monopole magnetische Ladungen dar, die positive Ladung (Nord) und die negative (Süd). Das bedeutet, dass sie Quellen des magnetischen Feldes sind. Physiker suchen bereits seit Jahrzehnten nach Magnetischen Monopolen (einzelne Nord- oder Südpole), seit sie von Dirac vorhergesagt wurden, doch bis heute gibt es keine verifizierbaren und reproduzierbaren Beweise dafür. Drillingsraum: Mitte 2009 gelang am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie eine kleine Sensation: Erstmals konnten Magnetische Monopole als Quasiteilchen in fester Materie beobachtet werden. Könnten Sie das Experiment kurz beschreiben? Jonathan Morris: Wir haben nicht nach diesen einzelnen Magnetischen Monopolen gesucht. Vielmehr beschäftigen wir uns mit der Physik kondensierter Materie und suchten, analog zu Dirac's Idee, nach zwei Magnetischen Monopolen die durch eine Röhre miteinander verbunden sind, durch die ein magnetisches Feld verläuft. Es wurde vorhergesagt, dass so etwas in einer speziellen Art von Material, genannt „Spin-Eis“, realisiert werden kann. Spin-Eis ist ein magnetisches Material, bei dem die mikroskopischen magnetischen Dipole („Spins“), aus denen das Material besteht, in einer Struktur angeordnet sind, die Eigenschaften besitzt, wie sie auch in Wasser-Eis beobachtet werden. Diese Struktur besteht aus Tetraedern – Pyramiden, deren Seiten aus vier gleichseitigen Dreiecken bestehen. An den Ecken dieser Tetraeder sitzen die Spins, die entweder in Richtung Tetraedermitte, oder davon weg zeigen können. Die „Eis-Regeln“ besagen, dass zwei Spins in Richtung Mitte und die anderen beiden nach außen zeigen müssen. Dies entspricht der Situation beim Wasser-Eis: Dort befinden sich immer zwei Wasserstoff-Atome in der Nähe eines Sauerstoff-Atoms und zwei andere weiter davon entfernt. Wenn diese „Eis-Regeln“ im Spin-Eis gebrochen werden, zeigen drei Spins nach innen und ein Spin nach außen, oder umgekehrt. Stellen wir uns den Spin mal als eine Art Hantel vor, an deren Enden je ein Magnetischer Monopol sitzt - einmal ein Nordpol, einmal ein Südpol. Wenn nun 3 Spins in Richtung Tetraedermitte zeigen, |
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können, wenn sich ein extern angelegtes Magnetfeld ebenfalls umdreht. Das zweite Experiment stellen Messungen von Magnetisierungen dar, die von Kollegen in La Plata/Argentinien und St. Andrews in Schottland durchgeführt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass die Art und Weise, wie sich diese Strings ausbilden, verstanden ist. Ihre Bildung folgt aus einem 3D Kastelyn-Übergang. Das bedeutet, dass jeder Spin eine magnetische Energie besitzt, die von der Wechselwirkung zwischen ihm und dem angelegten Magnetfeld kommt. Zudem besitzt der Spin eine Entropie, da ihm zwei Möglichkeiten der Ausrichtung zur Verfügung stehen. Es gibt eine Art Balance zwischen der Energie und der Entropie: Wenn das Magnetfeld unter einen bestimmten Wert fällt, gewinnt die Entropie an Dominanz. Spins, die entlang der Feldrichtung orientiert waren, könnten sich dann so drehen, dass ihre magnetische Energie erhöht wird. Beim dritten Experiment ging es um Wärmekapazität, Kollegen hier vom HZB haben es durchgeführt. Zudem ging es um die Theorie, wo wir mit Kollegen aus Dresden und Oxford zusammenarbeiten. Die experimentellen Ergebnisse sind stark temperaturabhängig und die Theorie zeigt uns, dass man diese Daten aus dem Blickwinkel eines Gases aus Magnetischen Monopolen verstehen kann, das über die magnetische Coulomb-Kraft wechselwirkt. Die Magnetischen Monopole wechselwirken demnach untereinander, und zwar auf die gleiche Weise wie elektrische Ladungen. Diese drei Einzelbeweise sprechen also stark dafür, dass Magnetische Monopole in Spin-Eis existieren können. Drillingsraum: Wie wird's am Helmholtz Zentrum nach diesem Erfolg nun weitergehen? Jonathan Morris: Die nächsten Schritte werden so aussehen, dass man das Verhalten dieser Magnetischen Monopole im Detail studiert. Dies ist das erste mal, dass man ein Gas aus Magnetischen Monopolen untersuchen kann. Es ist möglich, die Wechselwirkung der Monopole untereinander zu betrachten sowie ihr Verhalten gegenüber externe Variablen wie Magnetfelder oder Druck zu untersuchen. Drillingsraum: Was sind Dirac Strings? Jonathan Morris: Dirac's Idee war, dass Magnetische Monopole über eine sehr dünne Röhre miteinander verbunden sein könnten, durch die das magnetische Feld fließt. Diese Röhre ist der „Dirac String“. An den Enden der Röhre tritt das Magnetfeld aus, oder verschwindet darin. Diese Enden sind dann Quellen oder Senken des Magnetfelds, genau wie Magnetische Monopole. |
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Jonathan Morris: Andere Arbeitsgruppen berichteten ebenfalls über Magnetische Monopole in Spin-Eis. In der gleichen Ausgabe des Science-Journals in der auch wir erschienen sind, berichtete eine französisch/bitische Kollaboration über verschiedene Ergebnisse mit Neutronen-Experimenten, die sie als Nachweis für Magnetische Monopole ansehen. Die gleiche Gruppe berichtete später im Nature Journal, dass sie die magnetische Ladung dieser Monopole mit Hilfe einer modifizierten Technik gemessen haben, mit der man normalerweise elektrische Ladungen misst. Zudem berichtete eine japanische Arbeitsgruppe im Journal für die physikalische Gesellschaft von Japan über verschiedene Experimente mit Neutronenstreuung, die sie als Nachweis für Magnetische Monopole ansehen. Man sieht also, auch andere Gruppen arbeiten auf diesem Gebiet, und es werden unterschiedliche Techniken ausprobiert. Drillingsraum: Wie kann man die hohe Masse Magnetischer Monopole erklären, die von Berechnungen vorhergesagt werden? Jonathan Morris: Magnetische Monopole werden von einigen Theorien vorhergesagt und benötigen in der Regel eine immense Masse. Es wird vermutet, dass diese Masse im Bereich von einigen Milligramm liegt, was für ein einzelnes Teilchen gewaltig ist. Das liegt daran, dass das Universum eine große Menge an Energie auf einen einzelnen Punkt fokussieren müsste, um eine Quelle eines magnetischen Feldes aus dem Vakuum heraus zu erzeugen. Nach diesen einzelnen Magnetischen Monopolen hat man bereits in Teilchenbeschleunigern, kosmischer Strahlung, in Mondgestein und auf dem Grund des Ozeans gesucht, jedoch ohne reproduzierbare Ergebnisse. Unsere Monopole kosten das Universum nicht so viel Energie, da die magnetische Struktur von Spin-Eis ein „Vakuum“ bereitstellt, worin die entsprechenden Bedingungen bereits existieren. |
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Drillingsraum: Was macht man mit Magnetischen Monopolen wenn man sie wirklich mal finden und stabil halten könnte? Hätten sie irgendeine Verwendung? Jonathan Morris: Zukünftige Erkenntnisse werden uns sagen, ob es dafür Anwendungen gibt. Die französisch/britische Kollaboration berichtete über „Magnetizität“, was das magnetische Analogon zur Elektrizität darstellt. Drillingsraum: Könnten Magnetische Monopole eine Rolle bei der Entwicklung neuer Materialien und Technologien spielen? Jonathan Morris: Damit in unserem Material die Eis-Regeln und somit die Monopole als Exzitonen beobachtbar sind, muss es bei einer sehr tiefen Temperatur gehalten werden. Diese liegt bei unter einem Kelvin, also weniger als ein Grad vom absoluten Nullpunkt entfernt. Wenn Materialien gefunden werden könnten, in denen Magnetische Monopole bei höheren Temperaturen existieren können, gäbe es eventuell Anwendungen. Dies könnte eines der Probleme sein, mit der Wissenschaftler in Zukunft konfrontiert sein werden. Drillingsraum: In die Maxwell Gleichungen wären magnetische Monopole leicht zu integrieren, die Gleichungen könnten ohne Probleme entsprechend erweitert werden. Was für weitere Konsequenzen würde es für die Elektrodynamik und das physikalische Weltbild haben, wenn wir eines Tages diese Monopole entdecken würden? Jonathan Morris: Die Maxwell Gleichungen bleiben durch unsere Beobachtungen unverändert. Der Grund dafür liegt im Dirac-String: Dieser beinhaltet das zwischen den Monopolen fließende Magnetfeld. Somit behalten die Maxwell Gleichungen, die besagen, dass das Magnetfeld kontinuierlich ist und keine Quellen besitzt, ihre Gültigkeit. Wir können die Defekte in der Struktur des Spin-Eises als Magnetische Monopole bezeichnen, da Experimente mit der Wärmekapazität zeigen, dass sich diese Defekte wie magnetische Ladungen im Vakuum verhalten. Drillingsraum: Was ist für Sie das Spannende bei der Erforschung Magnetischer Monopole, was fasziniert Sie daran? |
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Drillingsraum: Ist die Erforschung Magnetischer Monopole ein bedeutendes Thema in der Physik oder nimmt dieses Gebiet eher einen Spartenbereich ein? Jonathan Morris: Ich bin mir nicht sicher, ob der Versuch, nach Magnetischen Monopolen in kondensierter Materie zu suchen, eine der großen Aufgaben der heutigen Physik darstellt. Das spielt nicht auf dem gleichen Level wie beispielsweise der Large Hadron Collider (LHC). Jedoch könnte es sein, dass dort am LHC Wissenschaftler angestellt sind, die mit einem Auge Ausschau nach Magnetischen Monopolen halten. Drillingsraum: Wieviele Wissenschaftler arbeiten an der Erforschung Magnetischer Monopole? Jonathan Morris: In unserer Kollaboration gibt es Wissenschaftler aus Deutschland (HZB und PTB in Berlin, MPI in Dresden), Großbritannien (Oxford, St. Andrews und Edinburgh) und Argentinien (La Plata). Aber es gibt weitere Gruppen die nach Magnetischen Monopolen in Spin-Eis suchen, eine französisch/britische und eine japanische. Es könnte sogar sein, dass es noch weitere gibt. Dies sind jedoch alles Gruppen, die sich mit diesem Spin-Eis beschäftigen. Ich weiß nichts über Teams, die zum Beispiel im Kosmos nach Magnetischen Monopolen suchen. Drillingsraum: Wie wird Ihre Forschung finanziert? Jonathan Morris: Ich arbeite für das Helmoltz-Zentrum in Berlin, das von der Helmholtz-Gemeinschaft finanziert wird. Andere Wissenschaftler in unserer Kollaboration werden durch andere Träger finanziert.
Vielen Dank für das Interview. |
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