Der Flug

Nachdem er wusste, wie er sich festhalten konnte, hoben sie ab und flogen zusammen über das weite Land. Anfangs rauschten sie über die Schienenstrecke, die bereits eine beachtliche Länge erreicht hatte. Nachdem sie eine Weile geflogen waren, fragte der kleine Fluggast: „Wo sind wir denn jetzt?“. „Wir sind gerade bei der Hälfte deiner Schienenstrecke vorbeigeflogen“, meinte das Wesen mit den Körperteilen, die nicht so recht wussten, ob sie nun kommen oder schon wieder gehen sollten. „Kannst du auch Kunststücke fliegen?“ Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, drehten sie einen riesen Looping. In dem Moment, als es wieder nach unten ging, wurde dem kleinen Fluggast ganz schlecht und er verlor beinahe seine Mütze. Moment. Ein Traum und schlecht werden? Da stimmt doch was nicht. Er muss eingenickt und gleich wieder aufgewacht sein, als dieses seltsame Wesen aufgetaucht ist. Er flog also wirklich! Jetzt hielt er sich erst recht fest. „Gibt es denn wirklich gar nichts in diesem Land? Wo fängt es überhaupt an, und wo hört es auf?“ Und um ihm zu zeigen, dass dieses Land natürlich nirgends anfing und nirgends aufhörte, änderte das fremde Wesen die Flugrichtung, machte eine Kurve und verließ die Schienen. Es flog ziemlich schnell, und jetzt auch noch steil nach oben. „Wenn ich da mal nicht runterfalle“. Sie waren wirklich schnell, das konnte man daran erkennen, dass die Schienen im nu verschwunden waren. Von nun an flogen und flogen sie. Und nirgends gab es etwas zu sehen. Gar nichts. Überall sah es gleich aus. Und nachdem die beiden sehr lange unterwegs waren und immer noch keine Veränderung, geschweige denn ein Ende in Sicht gewesen wäre, stimmte er zu, wieder umzukehren.

Eigentlich bin ich hier hergekommen, weil ich etwas suche.
Du bist in ein Land gekommen, in dem es nichts gibt, um etwas zu suchen?
Man hat mich losgeschickt. Wo die Reise enden sollte, wusste niemand.
Manchmal haben das Reisen so an sich.
Wo soll das alles nur hinführen...
Du suchst etwas, das keine greifbare Gestalt hat, etwas, das nur dein Geist festhalten kann.
Eine Antwort.
Das Rätsel eines Rätsels Lösung ist das Rätsel selbst.
Du kennst die Frage doch gar nicht.
Verständlich, dass die anderen dich ausgewählt haben.
Ich wurde losgeschickt: „Finde eine Frage, deren Antwort eben genau so lautet, wie die Frage selbst. Wie lautet diese Frage?“
Du suchst also eine Antwort, zu der du nicht einmal die Frage kennst?
Ich hab es ernst gemeint.
Du hast deine Antwort bereits, sie wurde dir schon mit auf den Weg gegeben.
(...)
Du dürftest eigentlich überhaupt nicht hier sein.
Das..., unglaublich. Aber müsste es dann nicht heißen: „Des Rätsels Lösung ist das Rätsel selbst.“?
Vorsicht, pass auf deine Mütze auf.

Während des weiteren Rückflugs machte sich der kleine Passagier Gedanken darüber, warum das Wesen nie als Ganzes zu sehen war, sondern immer nur einige dieser seltsamen Teile, die auftauchten und wieder verschwanden.

Vopbles: Warum kommst du denn nicht mal ganz zum Vorschein, und zeigst dich in deiner vollen Gestalt?
Yucouaebu: Das geht nicht, dafür ist hier kein Platz.
Vopbles: Aber das Land hier ist doch riesig...
Yucouaebu: Das stimmt, eigentlich bin ich auch gar nicht viel Größer als du, aber trotzdem passe ich hier nicht rein.

Der kleine Passagier war jetzt so verwirrt, dass er sich gar nicht getraute, noch weiterzufragen. Das war aber gar nicht nötig. „Stell Dir mal einen dünnen Faden vor. Man könnte sagen, er wäre ein eindimensionales Gebilde, etwa so wie deine Schiene. Auf diesem Faden könntest du ohne Probleme einen Strich unterbringen, denn auch dieser hat genau eine Dimension, eben die Länge. Wolltest du nun statt einem Strich etwa ein Viereck auf diesen Faden zeichnen, würde dir das nicht gelingen, denn ein Viereck hat nun mal zwei Ausdehnungsrichtungen, also zwei Dimensionen. Der Faden könnte noch so lang sein, das kleinste Viereck würde darauf dennoch keinen Platz finden. Dazu bräuchte es schon etwas mit zwei Dimensionen, ein Zeichenblatt beispielsweise. Und genauso wenig, wie man ein Viereck auf einem eindimensionalen Gebilde unterbringen könnte, könnte man dich auf einem Blatt Papier unterbringen. Du hast ganz einfach eine Dimension zu viel, um dort hineinzupassen. Das Papier kann noch so groß sein, es würde dir dennoch keinen Platz bieten.“

Langsam fing der kleine Passagier an zu begreifen, mit was für einem Geschöpf er es hier zu tun hatte. Ein vierdimensionales Wesen, von dem er nur diejenigen Teile wahrnehmen konnte, die gerade seine 3 Dimensionen streiften. Und genau so, wie eine Kugel lediglich einen flachen Kreis hinterlässt, wenn man sie durch ein dünnes Blatt Papier wirft, hinterlässt dieses Wesen eben „nur“ dreidimensionale Objekte, wenn es des kleinen Passagiers Welt durchkreuzt. Das erklärt auch dieses ständige Auftauchen und Verschwinden mancher Körperteile - das heißt, sie verschwinden ja nicht wirklich, sie verlassen lediglich diesen 3D-Raum, wodurch sie für die darin lebenden Geschöpfe aufhören zu existieren. "Was würde denn passieren, wenn du mich mit in deine Welt nehmen würdest?“ - „Das ist eine interessante Frage. Aber ich glaube, soweit bist du noch nicht“ meinte das fremde Wesen, und setzte wieder zur Landung an.